Stell dir vor, du erhältst eine E-Mail von einem oder einer potenziellen Kund*in, der*die eigentlich schon kurz davor stand, einen Kaufvertrag zu unterzeichnen. In der Mail werden einige preisbezogene oder andere Themen hervorgehoben, mit dem Wunsch, diese noch einmal ausführlich zu diskutieren..
Wenn du bereits längere Zeit im Vertrieb tätig bist, wird dieses Szenario für dich nicht allzu fremd sein. Gerade Berufseinsteiger*innen scheuen sich jedoch oft vor Verhandlungen, aus Angst vor diesen ungewohnten und einschüchternden Situationen. Aber egal, ob du neu in der Kunst des Verhandelns bist oder bereits Erfahrungen sammeln konntest, es schadet nie, deine Fähigkeiten weiter zu verbessern. In diesem Artikel findest du daher ein paar Taktiken, die dir helfen, vorbereitet in Verhandlungen zu gehen und diese zu deinen Gunsten zu lenken.
1. Rede mit den Entscheider*innen
Bevor du lernst, „wie“ man verhandelt, ist es wichtig zu wissen, mit wem man überhaupt verhandeln soll.
Ich weiß, dass dies wie ein offensichtlicher Tipp klingt, aber selbst einige Vertriebsprofis verhandeln oft zunächst mit der falschen Führungskraft. Diese Verhandlungsprozesse ziehen sich dann unnötig in die Länge, da die „falschen“ Ansprechpartner*innen immer wieder Absprachen und Einwilligungen der Vorgesetzten benötigen. Die Identifikation der richtigen Entscheidungsträger*innen erspart dir also Zeit und Nerven.
Ein Tipp aus meiner Vertriebspraxis: Bei der Kaltakquise frage ich immer die Leitung des Unternehmens an. Ist es ein größeres Unternehmen, verlange ich die Leitung der entsprechenden Fachabteilung. Wenn ich die Kund*innen unbedingt für mich gewinnen möchte, ist der erste Anruf auch häufig nur dafür gedacht, möglichst viele Informationen über Hierarchie, Abteilungsebenen und die jeweiligen Entscheidungsträger*innen in Erfahrung zu bringen. So kann ich bei einem weiteren Anruf die richtige Kontaktperson mit Namen benennen und direkt anrufen.
2. Höre zu und finde den Schmerzpunkt
Ein großer Teil davon, ein*e effektive Verhandlungsführer*in zu sein, besteht darin, einfach auf das zu reagieren, was deine potenziellen Kund*innen sagen, und dazwischen wertvolle Informationen zu sammeln. Wenn du dein Gegenüber zuerst sprechen lässt, kannst du die aktuellen Herausforderungen deiner Kund*innen identifizieren und entsprechend deine Verkaufstaktik anwenden.
Oft bieten Verkäufer*innen in der Hektik zum Verkauf Rabatte an oder erweitern den Arbeitsumfang, bevor sie die Seite potenzieller Kund*innen hören. Aber vielleicht war das Problem überhaupt nicht preisbedingt! Du kannst es nicht sicher wissen, bis du sie (scheinbar) die Führung übernehmen lässt und den tatsächlichen Bedarf erkennst.
3. Bringe deine Stimme und deinen Körper in Einklang
Wenn du denkst, dass die Kunst des Verhandelns in deinen Worten liegt, denk noch einmal darüber nach! Nonverbale Hinweise wie deine Körpersprache, der Tonfall deiner Stimme, ob du zitterst oder stotterst, sind genauso wichtig. Das Ausstrahlen von Vertrauen ist der Schlüssel zur Steuerung einer Verkaufsverhandlung. Bleibe also ruhig und geduldig, während du dich deinen potenziellen Kund*innen näherst, da sie die Risse in deiner Rüstung sehen und sie gegen dich ausspielen könnten.
Betrachte dich als Partner*in, die bereit ist, Dienstleistungen für die Interessent*innen zu erbringen. Bleibe standhaft während einer Verhandlung. Vertrieb sollte auf Augenhöhe stattfinden und du und deine Kund*innen in diesem Moment gleichwertig miteinander kommunizieren. Zu verkaufsorientiert zu sein oder viel zu unterwürfig zu wirken, wird die Verhandlungspartei nur dazu einladen, aggressiver auf dich zuzugehen. Wenn du kannst, behalte deine Nerven im Auge. Auf diese Weise hast du die Hälfte der Verhandlungsschlacht gewonnen.
4. Nutze die Zeitleiste der potenziellen Kund*innen als Verhandlungsinstrument
Deine Interessent*innen haben meist eine Frist, um einen Vertrag abzuschließen, so dass sie nur so lange Hardball spielen, bis dieser Termin näher rückt. Wenn du eine faire Vorstellung davon bekommst, was ihre Zeitpläne sind, kannst du entsprechend verhandeln. Angenommen, sie geben einen Gegenpreis an, mit dem du unzufrieden bist – warte einige Zeit, und lasse zu, dass sich die Zeitpläne zu deinen Gunsten entwickeln, um erst dann dein Gegenangebot abzugeben.
Ein Tipp aus meiner Vertriebspraxis: Ich arbeite gerne mit Pausen, um die Verhandlungspartner*innen unbewusst auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Beispiel: „Frau XY, bis wann brauchen sie das Produkt? Welche Deadline gibt es für dieses Projekt?“. PAUSE. Während der Pause ist Frau XY gedanklich bei den Konsequenzen, wenn sie den Termin nicht halten kann. Ihr Chef oder ihre Chefin sitzt ihr im Nacken und wird vielleicht nicht erfreut sein, wenn Termine nicht eingehalten werden können.
5. Wisse, wann du aufhören musst
Es ist verständlich, wenn du dich gelegentlich nach hinten beugst, um eine Verhandlung erfolgreich abzuschließen. Aber deine Grenzen solltest du vorab definieren. Wenn die Verhandlungen ausnahmslos unvernünftig werden, mit knappen Gewinnmargen und Interessent*innen, die nicht bereit sind, von ihrer Haltung abzuweichen, beende das Gespräch respektvoll. Auf lange Sicht ist es besser, Interessent*innen zu finden, die den Wert deines Produktes und den Preis, der beiderseitig ausgehandelt wurde verstehen, anstatt unterbewertet zu arbeiten.
Potenzielle Kund*innen, die nur bereit sind zu unterschreiben, wenn du den Preis dramatisch senkst, werden dich später nach Margen suchen lassen. Was auch wahrscheinlich ist, ist, dass sie selbst nach einer langwierigen Verhandlung die Vorteile deines Angebots nicht sehen. In diesem Fall ist es oft schwierig, die Kund*innen zufrieden zu stellen, was dazu führt, dass sie bei dem nächstbesseren Angebot weg sind.
Bereit zu verhandeln?
Lasse dich nicht von einer bevorstehenden Verhandlung einschüchtern. Befolg stattdessen diese Strategien, um eine Win-Win-Situation für dich und dein Unternehmen zu schaffen. Denke daran, dass Fachleute, die das Verhandlungsgeschick beherrschen, mit 3-mal höherer Wahrscheinlichkeit ihre Preisziele erreichen.
Unabhängig davon, welche Verhandlungstaktik du verwendest – versuche immer, die wahren Einwände und Erwartungen deiner potenziellen Kund*innen im Voraus und auch während des Verhandlungsprozesses herauszufinden.
Vielleicht siehst du es noch nicht so, aber Verkaufsverhandlungen sind tatsächlich ein kollaborativer Prozess MIT der anderen Partei – und nicht gegen sie oder dich.
Fazit
- Wähle deine Verhandlungspartner*innen gezielt aus und spreche immer mit den Entscheider*innen
- Höre der anderen Partei wirklich zu, stelle Fragen und sammele so alle relevanten Informationen
- Gehe ruhig und gelassen in die Verhandlung – bleib du selbst!
- Finde die Kaufmotivation der anderen Partei und frage nach Fristen
- Verkaufe dich und deine Leistung niemals unter Wert