Zu diesem Thema hat das Vertriebsheldinnen-Team mit der Unternehmerin, Speakerin und Diversitätsexpertin Tijen Onaran gesprochen. Wieso brauchen wir mehr Diversität, insbesondere mehr Frauen im Vertrieb? Welche Vorteile ergeben sich daraus und vor allem: Was können wir tun, um diesem Ziel näher zu kommen?
Diversität – alle reden darüber, aber was steckt eigentlich dahinter und warum beschäftigen sich Unternehmen überhaupt damit, liebe Tijen?
Tijen: „Wenn wir über Diversität reden, reden wir über Vielfalt. Nichts anderes bedeutet es. Wir erkennen an, dass es Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Bedürfnissen gibt und wir diese nicht ignorieren, sondern die Arbeitswelt so gestalten, dass sich jede*r wohl fühlt.
Für Unternehmen bedeutet das, weg von der Uniformität hin zu mehr Offenheit, sei es bei Arbeitszeitmodellen, bei der Kommunikation oder bei der Unternehmenskultur. Neu denken ist dabei das Ziel. „Das haben wir immer schon so gemacht“ kann gerne in der Kiste mit der Aufschrift 1980 bleiben.“
Welche Vorteile bietet das für den Vertrieb?
Tijen: „Viele! Diverse Teams agieren nachgewiesen besser, haben vielfältigere Ideen und einen höheren Output. In homogenen Teams ist es vielleicht auf den ersten Blick einfacher, da alle eine ähnliche Meinung haben – aber alle haben eben auch eine ähnliche Meinung! Diverse Teams hingegen stehen für unterschiedliche Meinungen und Ansichten ein. Diese Diskussionen bringen dann vielfältigere und innovativere Ideen hervor! Und genau das kommt auch dem Vertrieb zugute! Und ganz ehrlich: Die Kund*innen erwarten mittlerweile auch auf der Vertriebsseite eine Vielfalt an Personen, die sie beraten.“
Vertriebsheldinnen: „Kundinnen und Kunden sind ein Querschnitt der Bevölkerung, mit allen Besonderheiten und Eigenschaften. So verschieden wie die Kund*innen sind, so unterschiedlich sollten auch die Vertrieblerinnen und Vertriebler sein, denn so ist das gegenseitige Verständnis gegeben und das Vertrauen am größten. Dabei spielen verschiedene Dimensionen eine Rolle, neben dem Geschlecht können auch das Alter und der kulturelle Hintergrund ausschlaggebende Punkte bei der Auswahl der Beraterin bzw. des Beraters sein. Man kennt es von sich selbst am besten. Am liebsten lasse ich mich doch dort beraten, wo ich auch verstanden werde. Der Mensch und der Service stehen im Fokus und das, was heute wirklich zählt, ist das Zwischenmenschliche. Die Gesellschaft hat sich verändert, wir sind alle aufgeschlossener und offener für Neues geworden. Diversität bietet dabei so viele neue Möglichkeiten und auch neue Perspektiven. Je diverser und auch spezialisierter, auf ein bestimmtes Fachgebiet, umso besser können wir unsere Kundinnen und Kunden verstehen und beraten.“
Wenn es doch so viele Vorteile bietet: Wieso haben wir dann so wenig Diversität und insbesondere so wenig Frauen im Vertrieb?
Vertriebsheldinnen: „Arbeiten im Vertrieb bedeutet leider immer noch oft, arbeiten in einem männerdominierten Bereich. Das kann abschreckend sein. Und dann gibt es da noch die Vorurteile, dass Vertrieb etwas mit „über Leichen“ gehen zu tun hat und mit viel Verzicht und langen Arbeitszeiten. Viele Frauen trauen es sich einfach nicht zu. Oftmals werden leider auch zu wenig Möglichkeiten aufgezeigt. Viele denken, sie müssen direkt selbstständig werden und viel Verantwortung tragen. Dabei gibt es unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten und Entwicklungspfade – dies sollte unserer Meinung nach viel stärker nach außen kommuniziert werden.“
Tijen: „Und weil es eben lange ein Männerberuf war, sind auch die Strukturen daran angepasst. Der Vertrieb ist aber nicht nur Männern vorbehalten. Wir müssen wegkommen von dem „Das haben wir immer schon so gemacht“ hin zu: Was brauchen eigentlich Frauen, um erfolgreich im Vertrieb zu sein? Das werden andere Antworten sein, als bei Männern. Mit der Zielgruppe reden und verstehen was Bedürfnisse sind, ist der erste Schritt. Der zweite: Das Akzeptieren! Nur weil es anders ist, ist es nicht schlechter!“
Was muss sich am Bild der typischen Vertriebler*innen und des Vertriebsjobs ändern?
Tijen: „Das ganze Stereotyp! Wir brauchen Sichtbarkeit für die Vielschichtigkeit der Vertriebler*innen. Ich kann daher nur ermutigen sichtbarer zu werden – online und offline. LinkedIn ist eine super Plattform um sichtbar zu werden, aber auch um sich zu positionieren. Aber auch offline ist das möglich. Netzwerktreffen, Firmenevents oder das nächste Meeting. Es bieten sich überall Chancen, die eigene Stimme zu nutzen und für sich einzustehen.“
Vertriebsheldinnen: „Jede und jeder kennt die vielen Vorurteile, die mit Jobs im Vertrieb verbunden sind. Diese sind – in der Regel – alle negativ. „Geld gibt’s nur bei Verkauf“ oder „Es wird viel gelogen“. Es ist unsere Aufgabe – als Vertrieblerinnen – mit diesen Vorurteilen aufzuräumen und die wirklich wichtigen Themen im Vertrieb in den Vordergrund zu stellen. Es bedarf viel Empathie, einer Kommunikation auf Augenhöhe und fachlichem Wissen, um die Kunden optimal beraten zu können. Und wir möchten hier die Betonung auf das Wort beraten legen, denn wir sehen uns nicht als Verkäuferinnen, sondern Beraterinnen und Problemlöserinnen.“
Was können Unternehmen tun, um mehr Frauen für ihren Vertrieb zu gewinnen?
Tijen: „Vorbilder schaffen und aktiv dazu beitragen, dass Frauen in den Vertriebspositionen wachsen können. Für viele Frauen ist ein Job oder Unternehmen nur attraktiv, wenn es dort weibliche Vorbilder gibt, die die Möglichkeiten für Frauen im Unternehmen repräsentieren.“
Vertriebsheldinnen: „Genau, und da hilft vermutlich nur sehr viel Aufklärungsarbeit, mit einem ganz langen Atem, um die Vorurteile auszuräumen. Sie müssen die Ängste und Bedenken der Frauen ernst nehmen und dürfen sie nicht alleine lassen. Ein eigenes Ansprachekonzept für Frauen ist auch sehr wichtig. Denn es ist Fakt, dass Frauen auf andere Wörter und Eigenschaften reagieren als Männer. In den letzten Jahrzehnten wurde hierauf kein Wert gelegt, doch dies hat sich nun geändert. Dies ist ein erster wichtiger Schritt ist. Die Frauen fühlen sich gesehen, verstanden und wertgeschätzt.“
Und was können Unternehmen tun, damit diese Frauen auch bleiben?
Vertriebsheldinnen: „Die Unternehmen müssen das halten, was sie vorab versprechen. Frauen dürfen sich nicht allein gelassen fühlen. Sie müssen das, was sie für Ihre Kundinnen und Kunden sind, in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen spüren, nämlich: wir sind da und wir helfen dir in den verschiedensten Situationen. Viele brauchen vermutlich insbesondere familienfreundliche Arbeitsplätze und Frauen in Führung als Vorbildfunktion. Zudem sollten Unternehmen aktive Unterstützung durch z. B. Mentoringprogramme anbieten und – das ist uns ganz wichtig – einen individuellen Entwicklungsweg aufzeigen und fördern.“
Tijen: „Kommunikation ist der Schlüssel – das heißt es so oft und das gilt auch hier. Gut überlegte Maßnahmen helfen wenig, wenn diese nicht für die Zielgruppe passend sind. Daher rate ich den Frauen auch, aktiv ins Gespräch zu gehen. Frauen sollen im Unternehmen gehalten werden? Liebe Unternehmen, dann fragt die Frauen selbst, was sie brauchen!“
Was würdet ihr Frauen raten, die sich für den Vertrieb interessieren?
Tijen: „Verknüpft euch mit Frauen, die bereits im Vertrieb aktiv sind. Geht mit ihnen ins Gespräch und tauscht euch aus. Eine bessere Informationsquelle werdet ihr nicht bekommen und so könnt ihr direkt anfangen, euer Netzwerk auszubauen.“
Vertriebsheldinnen: „Mutig sein! Praktika oder Schnuppertage in den Unternehmen wahrnehmen, um sich live anzuschauen, wie ein Tag im Vertrieb ausschauen kann. Wir haben viele inspirierende und erfolgreiche Frauen im Vertrieb, mit denen du dich vernetzten und austauschen kannst. Und genau dafür sind auch die Vertriebsheldinnen da.“