Kund*innen brauchen Lösungen und keine Produkte! – Im Interview mit Oliver Brüß

Oliver Brüß kann auf viele Jahre in der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche zurückschauen. Direkt nach seinem Abitur entschied sich Oliver für eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und in seiner insgesamt zweieinhalbjährigen Ausbildung bei der Colonia Versicherung gefiel ihm das halbe Jahr im Außendienst am besten. Doch Oliver wusste schon früh, dass er nicht nur im Vertrieb tätig sein, sondern auch Menschen führen wollte. So entschied er sich für ein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Personal und Marketing. Nach verschiedenen Stationen in der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche ist er nun seit mittlerweile 7 ½ Jahren Vertriebsvorstand der Gothaer.

 

Im Interview mit den Vertriebsheldinnen spricht Oliver über die Chancen der Digitalisierung und welche Skills für ihn absolut notwendig sind, um im Versicherungsvertrieb durchzustarten.

 

Im Zeitalter der Digitalisierung: Ist es überhaupt noch notwendig einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort zu haben?

Absolut. Aus Kund*innensicht ist es extrem wichtig einen persönlichen Ansprechpartner bzw. eine persönliche Ansprechpartnerin vor Ort zu haben. Denn die Absicherungsbedarfe der Kund*innen ändern sich im Laufe des Lebens. Und die Komplexität der Produkte, sei es für Firmenkund*innen, aber auch für Privatkund*innen, ist sehr hoch. Gerade wenn es um Produkte rund um Themen wie das eigene Wohngebäude, aber auch die Altersvorsorge oder die Gesundheit geht, sollten und können diese nicht mit einem Mausklick im Internet abgeschlossen werden. Da braucht es die Beratung von Expert*innen, um sicher zu stellen, dass man das richtige tut. Immerhin handelt es sich hierbei um wertvolle Gegenstände – wie das Wohngebäude – oder die Absicherung der finanziellen Unabhängigkeit in der Zukunft sowie das aller wichtigste, die persönliche Gesundheit.

 

Ein weiteres Thema, welches gerade für Firmenkund*innen nicht zu unterschätzen ist, ist das Haftungsrisiko – beispielweise die Produkthaftung aber auch die Umwelthaftpflicht.

Aus diesen Gründen ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, kompetente Partner*innen an der Seite zu haben, die einen begleiten.

 

Natürlich gibt es auch Produkte, wie eine Privathaftpflicht- oder Hausratversicherung, die online abgeschlossen werden können. Und gerade im Bereich der Kfz-Versicherung, wird bereits viel online verglichen und abgeschlossen. Aber dabei sollte nicht vergessen werden, dass im Schadensfall keine Agentur unterstützt und die gesamte Schadenabwicklung alleine gestemmt werden muss.

 

Wie können Agenturen die Digitalisierung für sich nutzen?

Das Thema Digitalisierung ist mittlerweile als Unterstützung in der gesamten Beratungs- und Betreuungsstrecke möglich. Dies beginnt bereits bei der Leadgenerierung, hier ist ein professioneller Internetauftritt und Social Media Arbeit sehr wichtig.

Dann gibt es selbstverständlich auch diverse digitale Beratungstools, die unseren Vermittler*innen die Beratung erleichtern und die Kund*innen bei den richtigen Entscheidungen unterstützen.

 

Auch die Kommunikation zwischen Vermittler*innen und Kund*innen hat sich durch Tools wie Zoom oder Teams verändert. So müssen Kund*innen für eine Beratung nicht mehr in die Agentur und die Vermittler*innen nicht zwingend zur Kundschaft ins Wohnzimmer. Hierdurch sparen beide Seiten viel Zeit.

Wenn es dann darum geht, dass Abschlüsse oder Transaktionen getätigt werden, spielt auch hier die Digitalisierung eine wichtige Rolle. So kann beispielsweise eine Unterschrift elektronisch eingeholt werden und Daten, auf einem gesicherten Weg, ausgetauscht werden.

 

All das ist Digitalisierung und gehört zu einer guten und professionellen Beratung.

Aus Sicht der Kundschaft gehört zur Digitalisierung auch, dass einfache Änderungen, wie zum Bespiel eine Adressänderung, elektronisch vorgenommen werden können. Und auch bei der Verwaltung der Unterlagen spielen Apps eine immer größere Rolle. So hat die Gothaer gerade erst eine App eingeführt, in der die Kund*innen alle Versicherungsunterlagen verwalten können – selbst, wenn die Versicherung nicht bei der Gothaer abgeschlossen wurde. Im Schadensfall haben die Kund*innen so alle Unterlagen an einem Ort.

Es kann festgehalten werden, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die Digitalisierung eine immer wichtiger werdende Rolle spielt und Sinn ergibt.

 

Welche Skills sind notwendig, um sich im Außendienst weiterzuentwickeln?

Das Wichtigste ist ein offenes Mindset. Offen zu sein für Neues, denn die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt immer weiter zu.

Ein Thema ist hier natürlich die Digitalisierung, aber wir haben auch „so ganz nebenbei“ eine Pandemie erlebt und aktuell die weltwirtschaftlichen Probleme und Inflationsthemen. Es ist also unheimlich viel in Bewegung und an der Stelle muss man offen und vor allem lernwillig bleiben.

Als Vermittler*in sollte man immer auf Ballhöhe bleiben. Beim Fahrradfahren würde man sagen „wer stehen bleibt fällt um“. Es ist wichtig, dass Berater*innen die Welt als Ganzes wahrnehmen und auch die geänderten Bedürfnisse und Ängste der Kund*innen kennen.

Beispielsweise das Thema Cyber: Die Cyberversicherung wird als die Feuerversicherung des 21. Jahrhunderts angesehen. Vor einigen Jahren hat sich niemand mit einer solchen Versicherung auseinandergesetzt. Und wenn sich Vermittler*innen mit solchen Themen nicht befassen, dann kommen sie ihrem Beratungsauftrag nicht mehr vollständig nach.

Da spielt auch das Alter keine Rolle, ob mit 25 oder 57 Jahren, man muss tagtäglich dazulernen und sich mit Themen beschäftigen.

 

Welchen Tipp kannst Du Startern und auch Quereinsteigern im Vertrieb geben?

Startern im Vertrieb würde ich immer zuerst den Tipp geben: „geht in die Finanzdienstleistungsbranche“.

Das ist ein ganz wichtiger Markt mit viel Potenzial. Das Durchschnittsalter der Vermittler*innen liegt bei 53 Jahren, wir werden also in den nächsten Jahren viele in den Ruhestand gehen sehen und gleichzeitig wird der Beratungsbedarf immer größer.

Und dann ist mein Tipp immer die Fokussierung und Professionalisierung. Fokussierung bedeutet, sich auf bestimme Zielgruppen zu fokussieren und dort eine hohe Kompetenz aufzubauen. Eine Zielgruppe sind zum Beispiel Frauen. Die Versorgungssituation ist bei Frauen oft nicht gut, da es in ihrem Lebenszyklus häufiger Phasen gibt, in denen sie nicht arbeiten.

Natürlich kann man sich auch dem Thema der ganzheitlichen Beratung widmen und sich so vom Wettbewerb abzuheben. Kund*innen – egal ob Firmen- oder Privatkund*innen – brauchen keine Produkte, sie brauchen Lösungen und um Lösungen zu entwickeln, müssen die Kund*innen verstanden werden und dafür muss man die Ziele und Wünsche sowie seinen Absicherungsbedarf kennen. Wenn man sich darauf konzentriert, dann wird man auch erfolgreich.

 

Noch besser und erfolgreicher wird man, wenn man das Ganze in einem Netzwerk macht. Hier das Stichwort größere Agentureinheiten. Hier verteilt sich das Knowhow auf viele Schultern und man kann mit verschiedenen Kompetenzen die Kund*innen überzeugen.

 

An was denkst Du, wenn Du an die Vertriebsheldinnen denkst?

Eine großartige Möglichkeit sich mit Gleichgesinnten gut zu vernetzen und gemeinsam daran zu arbeiten, erfolgreich zu werden und zu bleiben, und den Mut aufzubringen sich als Vertriebsheldin – also als selbstständige Frau in der Finanzdienstleistungsbranche – zu positionieren.